Daneben ist noch Platz
Glaubenssache

Ich reise gerne. Am liebsten ins Blaue hinein. Zumindest ohne alles durchgeplant zu haben. Während der Alltag gut organisiert ist, liebe ich es, unterwegs die Welt und die Dinge auf mich zu kommen zu lassen. Auch ungeplante Abenteuer verderben mir die Urlaubslaune nicht – ganz im Gegenteil! Ich atme im Jetzt auf, folge meinem Gefühl. Ich lasse mich überraschen, was der Tag bringt.
Letztes Jahr bin ich mit meinem Sohn spät abends mit Fahrrädern auf einem Campingplatz angekommen. Wir wollten nur für eine Nacht unser Zelt aufschlagen und schon am nächsten Morgen weiter radeln. Auf dem Campingplatz war ein großes Schild angebracht: „Zelten nicht erlaubt“. Und ich sagte zu meinem achtjährigen Sohn: „Nun müssen wir ein bisschen Geduld haben, bis sich uns eine irgendeine Möglichkeit auftut, von der wir jetzt noch nichts ahnen“. Und ich dachte für mich: In diesem Augenblick lernt er mehr, als an einem Tag, an dem alles glatt läuft: Klarkommen, dass gerade alle Türen geschlossen sind. Und doch damit rechnen, dass wir zu einer Lösung kommen. Auf die Lösung kann man hinwirken, aber man kann sie nicht erzwingen.
Ein älteres Ehepaar bekam von unserer Not mit. Die beiden parkten ihr Wohnmobil ein Stück zur Seite, sodass wir ihren Platz teilen und unser kleines Zelt aufbauen konnten. Andere Nachbarn auf dem Campingplatz schenkten uns frisch geerntete Weintrauben. Der Campingplatzbesitzer am nächsten Morgen ein versöhnliches Lächeln. Manchmal ist es, als ob Gott sich gerade dann zeigt, wenn man die Dinge nicht mehr in der Hand hat. In der Bibel heißt es: Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig. Wann wurden Sie das letzte Mal überrascht?
Annabell Demera
Pastorin in der Ev.-luth. St. Paulusgemeinde Burgdorf
„Glaubenssache – Beiträge und Texte aus Kirche und Religion“ erscheint als Kolumne jeweils samstags im Marktspiegel für Burgdorf und Uetze, sowie im Marktspiegel für Lehrte und Sehnde. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Kirchen schreiben Beiträge aus ihren Kirchengemeinden, Einrichtungen und Arbeitsfeldern, von ihren Erfahrungen und zu dem, was sie gerade beschäftigt.