Gedanken zum Gedenken
Glaubenssache

Nachdenklich schaue ich auf die Namen am Denkmal. Jeder Name steht für ein Leben, das gewaltsam zu Ende ging. Jeder Name steht für die Trauer der Angehörigen, die mit dem Tod des Vaters, des Ehemanns, des Bruders oder Sohnes zurechtkommen mussten.
Andere Namen tauchen nirgendwo auf: Die Namen der Menschen, die in Bombennächten, auf der Flucht, in den Lagern oder in Folge von Mangelernährung gestorben sind. Auch die Namen der Menschen, deren Leben aufgrund ihrer Nationalität, ihrer Religionszugehörigkeit, ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Weltanschauung ausgelöscht wurden, bleiben oft ungenannt.
Morgen ist Volkstrauertag. In vielen Orten versammeln sich Menschen an den Denkmälern, um aller Toten von Krieg und Terror und Gewalt zu gedenken. Auch derjenigen, deren Namen nirgendwo stehen.
Solches Gedenken ist wichtig. Denn Erinnerung hat zutiefst mit uns selbst zu tun. Es geht um mehr als ein bloßes Zurück-Denken. Denn Erinnerungen erzählen auch davon, wer wir sind. Und wie wir dazu wurden.
Das gilt für jeden einzelnen. Es gilt aber auch für Familien und Gemeinschaften, für Völker und Kulturen. Und auch für unseren Glauben. Denn in Gott sind wir verbunden – auch mit denen, die vor uns waren. Einem Gott, der uns wissen lässt: „Ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der Herr: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung“ (Jeremia 29,11).
Dem Vergangenen aufrichtig nachzudenken, ohne die Schrecken und Grausamkeiten auszusparen, ist nicht leicht. Aber es ist wichtig, im Gedenken die Gedanken zu sammeln, um Frieden, Hoffnung und Zukunft nicht zu gefährden.
Steffen Lahmann
Pastor der St.-Petri-Kirchengemeinde Hänigsen-Obershagen
„Glaubenssache - Beiträge und Texte aus Kirche und Religion“
Die Kolumne erscheint jeweils sonnabends im Marktspiegel für Burgdorf und Uetze, sowie im Marktspiegel für Lehrte und Sehnde. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Kirchen schreiben Beiträge aus ihren Kirchengemeinden, Einrichtungen und Arbeitsfeldern, von ihren Erfahrungen und zu dem, was sie gerade beschäftigt.