Hinterm Horizont
Glaubenssache

Was kann ein Bild alles einfangen ? Ich denke da an ein Gemälde mit einer Sommerlandschaft. Mit reifen Körnern und Halmen und einem breiten Himmelszelt. Im Hintergrund kündigen sich tiefblaue Gewitterwolken an. Bald blitzt, donnert und regnet heftig. Hinter der Oberfläche – im Innern des Bildes sozusagen – prallen zwei Welten aufeinander. Die Erde, die Leben schenkt und der Himmel, der das Leben bedroht. Der Sommergewitter wird kein Vergnügen für die Früchte des Feldes. Sie müssen ihm standhalten oder werden zugrunde gehen.
Das Gemälde trägt den Titel „Weizenfeld und Gewitterwolken“ (1890) und wurde von Vincent van Gogh kurz vor seinem Tod gezeichnet. Die Gabe des niederländischen Malers bestand nicht darin, das zu malen, was er vor Augen hatte. Vielmehr gelang es ihm mit seinen Bildern seine meist aufgewühlte Seele sprechen zu lassen (erinnert sei an seinen selbstzerstörerischen Akt der Verstümmelung des linken Ohrs).
Die Gründe, warum Menschen unter ihrem Leben leiden sind überaus zahlreich. Das Spektrum reicht von der Arbeit über die Familie oder einem körperlichen oder geistigen Leiden. Schwere Lasten, die meist unsichtbar sind. Dinge, gegen die ich meist wenig tun kann. Aber das Wenige, das kann ich tun. Verborgene Lasten bergen, innere Gefangenschaft von Menschen aufsuchen, mir etwas von ihnen erzählen lassen. Es mag nicht immer gelingen, aber es bewirkt viel, wenn ich das Gewitter in der scheinbar blühenden Seelen ernst nehme. Wenn ich ab und zu hinter den Horizont schaue.
Sebastian Hohensee
Pastor der Ev.-luth. Gesamtkirchengemeinde Sehnde-Rethmar-Haimar
„Glaubenssache - Beiträge und Texte aus Kirche und Religion“
Die Kolumne erscheint jeweils sonnabends im Marktspiegel für Burgdorf und Uetze, sowie im Marktspiegel für Lehrte und Sehnde. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Kirchen schreiben Beiträge aus ihren Kirchengemeinden, Einrichtungen und Arbeitsfeldern, von ihren Erfahrungen und zu dem, was sie gerade beschäftigt.