Gottesdienst an Himmelfahrt im Burgdorfer Stadtpark

09. Mai 2024
Regionalbischöfin Dr. Petra Bahr spricht ein Grußwort beim Gottesdienst im Stadtpark. Foto: Stefan Heinze/Kirchenkreis Burgdorf

Gemeinsamer Horizont

Im Rahmen ihrer Kirchenkreis-Visitation hat Regionalbischöfin Dr. Petra Bahr am Donnerstag den Himmelfahrtsgottesdienst der St.-Pankratius-Kirchengemeinde im Burgdorfer Stadtpark besucht. In ihrem kurzen Grußwort würdigte sie den besonderen Einsatz von Ehren- und Hauptamtlichen im ganzen Kirchenkreis und erinnerte an die gemeinsame Hoffnung aller Christinnen und Christen inmitten aller Unterschiede. "Wir gehen in der gleichen Richtung auf diesen Horizont zu", sagte die Regionalbischöfin.

Rund 150 Gäste nahmen an dem Gottesdienst unter blauem Himmel teil. Die Predigt von Superintendentin Sabine Preuschoff dokumentieren wir hier in voller Länge (siehe unten). Pastor Henrik Heinicke leitete durch den Gottesdienst. Der Posaunenchor der Kirchengemeinde unter der Leitung von Martin Burzeya-Wille war für die Musik verantwortlich.

Dem Himmel Raum geben

Predigt von Superintendentin Sabine Preuschoff
Predigttext: Apostelgeschichte 1,3-11, Himmelfahrt
Gottesdienst: 9. Mai 2024, Pankratius/Stadtpark

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserm Vater, und unserm Herrn Jesus Christus. Amen.
Die Magd lacht immer noch. Sie kann damit nicht aufhören, seitdem sie sah, wie Thales von Milet in ein Brunnenloch stürzte. Er, der große Philosoph, fiel tief, weil er in seinen Gedanken nur Augen für den Himmel hatte. Die Magd lästert: „Du siehst wohl, was am Himmel, aber nicht, was zu deinen Füßen geschieht.“
Ein Vorwurf, der auch die Jünger damals trifft: Ihr Männer von Galiläa – und wer weiß, vielleicht waren auch Frauen dabei – Ihr Menschen von Galiläa, was steht ihr da und seht gen Himmel? 
Da schauen sie hin. Eben war Jesus noch bei ihnen gewesen. Hatten sie seine Nähe gespürt. Gefühlt, wie seine Worte sie stark machten. Sie waren sich ihrer Sache wieder sicher.
Doch dann wurde er „vor ihren Augen emporgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf, weg von ihren Augen.“ So drückt es Lukas aus. Macht damit deutlich, dass Jesus nicht mehr greifbar war. 
Und sie – sie sind sprachlos. Orientierungslos. Und wie erstarrt. Wie soll es jetzt weitergehen?
Schwebende Zeit. Mittendrin zwischen Abschiedsschmerz, Verunsicherung und Hoffnung. Abschied von Jesus, ihrem Lehrer. Verunsicherung, wie es weitergeht. Hoffnung, dass er wiederkommt – und zwar bald. Elf Jünger stehen wie gelähmt zusammen und schauen ins Nichts. 
Abschied, Verunsicherung und Hoffnung – wie eine Folie für unser eigenes Leben: So Manches wirft Menschen aus der Bahn. Krankheit, Schmerz, Gewalt und Tod zeigen es uns immer wieder auf: So verletzlich und brüchig ist unser Leben.
Abschied, Verunsicherung und Hoffnung – auch für uns als Kirche. Von Vertrautem und Liebgewonnenem. Von Aufgaben. Von Gebäuden. Von der Art und Weise, wie wir Kirche leben. 
Denn das wird gerade vielfach in Frage gestellt: durch schwindende Ressourcen. Durch Gleichgültigkeit oder Ablehnung in der Gesellschaft. Durch sexualisierte Gewalt, die Menschen von Vertretern der Kirche angetan wurde.
Umso größer die Sehnsucht, die Hoffnung auf Verwandlung. Auf einen Spalt im Himmel – Hoffnung auf einen neuen Anfang.
Wo ist Jesus?
Die englische Sprache hat zwei Begriffe für Himmel: sky und heaven. Da ist es klar: Jesus fuhr natürlich nicht ‚auf‘ in den ’sky‘. Den Himmel, der zu sehen ist. Das wäre absurd, widerspräche allem gesunden Menschenverstand.  Oder sollte er etwa auf einer Wolke sitzen???
Jesus fährt „vor ihren Augen weg“ gen „heaven“, Gottes Himmel. 
„Ihr Menschen von Galiläa, was steht ihr da und starrt „und glotzt“ zum Himmel?“ Und werdet dabei unfähig für den Alltag. Für das, was naheliegt. Was zu tun ist. Für das, was auf dem Weg vor euch liegt.
Löst euch aus der Starre. Verharrt nicht in der Leere. Packt das Leben an.
Wenn ihr nach vorn blickt, was seht ihr? Seht ihr die Berge von Jerusalem, den Ölberg, Golgatha? Seht ihr den Tempel? Und seht ihr die Menschen, die eine Zukunft brauchen? 
Jesus ist aufgefahren nach vorn, in die Zukunft. Mitten hinein in euch. Aufgefahren, hineingefahren in euer Herz. Und da lebt er.
Und er hat euch einen Auftrag gegeben. Und eine Perspektive:
Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde.
Trauert mir nicht nach, sondern geht los. Schaut nach vorne – darauf, was vor euren Füßen geschieht. 
„Nicht da, wo der Himmel ist, ist Gott, sondern da, wo Gott ist, ist der Himmel“, so formulierte es der Theologe Gerhard Ebling.
Schaut euch um, schaut euch einander an, schaut auf Jerusalem und später Rom. Und Israel. Und Gaza. Und auf die Ukraine. Und auch direkt vor Eure Haustür … 
Schaut auf die Menschen, die euch brauchen und geht an die Arbeit. Es gibt viel zu tun für euch. Die Erde ist euer Ort. Dort findet ihr Jesus. Die Sache Jesu geht weiter. 
„Es gibt so viel zu tun“. Und wir sind beauftragt, ruhig und mutig offenen Auges dem heaven, in den uns Jesus vorausgeeilt ist, entgegenzugehen und im Geiste Jesu die Erde zu gestalten. Bis ans Ende der Welt, bis in unsere Herzen hinein.  
Himmelfahrt: Das ist die Fortsetzung des Wirkens Jesu auf dieser Erde mit anderen Mitteln. 
Das Evangelium hinaus in die Welt tragen – angefeuert vom Geist Gottes. Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen. Und plötzlich beginnt etwas Neues. 
Der Himmel auf Erden. Für Jesus bedeutete das Kranke heilen, Trauernde trösten, Gebeugte aufrichten, Hoffnung schenken.
Das entdecke ich heute dort, wo Menschen sich ehrenamtlich in unserem Hospizdienst engagieren und andere im Sterben und im Abschied begleiten.
Wo ein Dorf beieinander steht, weil ein kleiner Junge verschwunden ist – und miteinander sucht, und betet und die Angst und Sorge miteinander aushält. 
Wo wir diakonisch tätig sind und im Namen Jesu Menschen in Not beraten und begleiten. Bei Schulden oder Lebenskrisen. Bei drohender Wohnungslosigkeit oder ungeplanter Schwangerschaft. Und den Blick weiten für einen Neuanfang.  
Dort, wo wir auf Demonstrationen und noch viel mehr in unserem Alltag aufstehen gegen menschenverachtende Parolen und Gedanken und uns stark machen für eine Gesellschaft, in der wir solidarisch miteinander umgehen und die Würde des anderen achten. 
Dort, wo wir es nicht tolerieren, wenn Mandatsträger bedroht und zu Jagd und Verfolgung und sogar Mord aufgerufen wird. Und wo wir unsere Stimme gegen derartige Niedertracht erheben.
Dort, wo wir anderen erzählen, von der Hoffnung, die in uns ist. Die Jesus uns gegeben hat. – Und diese Hoffnung gegen Hass und Zerstörung setzen. ---
Wir feiern Himmelfahrt. Ein Tag, an dem wir erahnen, wie es sein könnte, wenn sich der Himmel tatsächlich öffnet und sich Gottes Wirklichkeit Bahn bricht in unserem Leben. 
Dass er unser Leben trägt – unsichtbar und doch zu spüren. Dass er mitgeht, egal an welches Ziel. Jesus macht den Anfang. Er sprengt die Grenzen von Zeit und Raum und öffnet uns den Himmel.
Der Himmel ist nicht mehr fern, er kommt ganz nah. Der Himmel ist dort, wo jene Zuflucht finden, die in ihrem Leben gescheitert sind – gefangen, hungrig, schwach. Der Himmel ist dort, wo Gott Raum auf dieser Erde gewinnt. 
Am Ostermorgen hat es begonnen: ein grandioser Auftakt für dieses Versprechen. Der Sieg des Lebens als Anbruch einer neuen Zeit. 
Jetzt sind die Menschen selbst dran, das Heil Gottes in diese Welt zu tragen. Jetzt sind wir dran.
Passt auf, dass es euch nicht geht wie Thales von Milet. Dass ihr wohl seht, was am Himmel passiert, aber nicht, was zu euren Füßen geschieht. Geht hinaus bis an das Ende der Erde. Werdet Zeugen für Jesus Christus. 
Das ist ein Weckruf zurück ins Leben, weil er ins Tun führt. Das ist wie eine Folie für unser Leben: immer dann, wenn das Leben stärker ist als der Tod. Der Tatendrang kräftiger als die Tatenlosigkeit. Die Liebe mächtiger als der Hass.
Christi Himmelfahrt ist das Fest eines neuen Anfangs – des Übergangs, der Verwandlung. Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen. 
Aus Jüngern werden Apostel. Aus Menschen, die hören und lernen, werden Menschen, die erzählen und lehren. Aus Beschenkten werden Gebende. Aus Schutzsuchenden werden Hirten. Christi Himmelfahrt verändert Menschen. Verändert die Welt.
Himmelfahrt. 
Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen: 
Die Kraft kommt aus der Höhe. 
Leicht wie eine Feder rührt sie dich an.
Beweglich wie eine Feder wird sie dich bewegen.
Der Himmel kommt auf die Erde. 
Und Gottes Kraft wohnt mittendrin. 
Der Himmel auf Erden ist die Welt Gottes, 
bewohnbar für alle Menschen. 
Ausgerüstet mit der Kraft aus der Höhe sind du und ich aufgerufen, am Himmel auf Erden mitzuarbeiten. Tränen trocknen. Dem Tod entgegentreten. Leid und Geschrei und Schmerz stillen. Gemeinschaft leben. Von der Hoffnung erzählen.
Und es ist der Himmel, wenn mir die Kraft aus der Höhe hilft, meine manchmal engen Grenzen zu weiten. Dem Himmel Raum geben, dann kommt der Himmel ganz nah! ---
Ihr Menschen von Burgdorf, was steht oder sitzt ihr da und schaut in den Himmel? Geht hinaus in die Welt und erzählt allen vom offenen Himmel. 
Geht hinaus in die Welt mit dem Geist Gottes im Rücken und schafft Orte, an denen sich Himmel und Erde berühren.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle menschliche Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Sabine Preuschoff
Superintendentin des Ev.-luth. Kirchenkreises Burgdorf